Sie studiert an der Universität Freiburg Medizin und ist gleichzeitig eine internationale Spitzenruderin: Aurelia-Maxima Janzen war bei den Olympischen Spielen in Paris die jüngste aller Teilnehmerinnen ihrer Kategorie und schaffte es auf Anhieb in die Top 10.
«Die olympische Regatta beinhaltete alles, was den Sport ausmacht – einfach um ein Vielfaches verstärkt», sagt Aurelia-Maxima Janzen. Was sie damit meint: «Es kann in jedem Moment alles passieren, du hast nicht die Sicherheiten und Gewissheiten, die du ausserhalb des Sports oft hast.» Durch die vielen Weltklasse-Athletinnen und die mediale Aufmerksamkeit sei das in Paris besonders ausgeprägt gewesen. «Es war eine sehr interessante Erfahrung, ich habe viel daraus gelernt.» Die Ruderin ging in der Kategorie Skiff an den Start. Im Einerboot also, in dem sie jeweils ganz allein für Erfolg und Misserfolg verantwortlich ist. War sie angesichts der vielen Zuschauer_innen im Stade nautique olympique de Vaires-sur-Marne am Start besonders nervös? «Am Start nicht, das wäre nicht gut. Aber grundsätzlich war es ein spezielles Gefühl, bei diesem riesigen Anlass mit dabei zu sein. Die Ansprüche an sich selbst sind bei allen Teilnehmenden noch einmal höher als bei anderen Wettkämpfen.» Schliesslich schaut die ganze Welt zu. Während Rudern normalerweise eine wenig mediatisierte Sportart ist, war Aurelia-Maxima Janzen in Paris plötzlich eine gefragte Interviewpartnerin.
Knapp am olympischen Diplom vorbei
Das hing auch mit ihren guten Leistungen zusammen. Die Bernerin setzte mehrere Ausrufezeichen, im Vorlauf und im Viertelfinal belegte sie jeweils den zweiten Rang und zog souverän in den Halbfinal ein. Dort verpasste sie als Fünfte zwar den A-Final, im abschliessenden B-Final wurde sie aber noch einmal starke Dritte. In der Endabrechnung belegte Janzen damit den neunten Schlussrang. Ein gutes Ergebnis – aber auch ein ärgerliches. Die ersten acht Athletinnen wurden mit einem olympischen Diplom ausgezeichnet, Janzen verpasste ein solches um 1,4 Sekunden. Auf die Zeit von 7:27.01 Minuten betrachtet, in der sie im B-Final die 2000 Meter zurücklegte, ist das wenig. Wie sehr nervt es sie, dass sie ein Diplom so knapp verpasst hat? «Ziemlich!», sagt Janzen sofort. «Aber letztlich bin ich schlicht nicht gut genug gefahren. Wir haben das analysiert und ich weiss, was ich in Zukunft besser machen muss. Das macht es leichter, das knappe Verpassen der Top 8 zu verdauen.»
Eröffnungsfeier verpasst
Am Verdauen ist Aurelia-Maxima Janzen, die zwei Tage nach ihrem letzten Einsatz am Montag zurück nach Bern gereist ist, auch die zahlreichen Eindrücke und Emotionen, die eine Olympia-Teilnahme mit sich bringt. Zwar war sie nicht an der pompösen Eröffnungsfeier, weil sie am Morgen danach ihren Vorlauf hatte, und sie übernachtete auch nicht im olympischen Dorf, weil die Ruderwettkämpfe weit ausserhalb des Stadtzentrums stattfanden. «Dennoch traf ich Athlet_innen aus der ganzen Welt und aus verschiedensten Sportarten. Das war eine angenehme Horizonterweiterung.» Gleichzeitig kamen ihr einige Aspekte des Megaevents fast schon surreal und absurd vor, etwa einige organisatorische Gegebenheiten. So wurde das gesamte Material, das auf das Wettkampfgelände gebracht wurde, im Stil einer Flughafen-Sicherheitskontrolle überprüft. Weil in ihnen Metallschrauben und -platten verbaut sind, schlug der Metalldetektor bei den Booten an – allerdings ohne Konsequenz. «Aber unter dem Strich konnte ich Sport treiben und gleichzeitig viel lernen. Diese Kombination ist fantastisch.»
Wie bringt sie Spitzensport und Studium unter einen Hut?
Aurelia-Maxima Janzen ist nicht nur internationale Spitzenruderin, sondern studiert auch an der Universität Freiburg im dritten Semester Medizin. Wie schafft sie es, diese zwei enorm zeitintensiven Bereiche unter einen Hut zu bringen? «Ein Vorteil ist, dass ich im Einer fahre und sozusagen mein eigenes Team bin. Das gibt mir viele Freiheiten, dadurch bin ich flexibel. So war es mir auch möglich, im Olympiajahr weiter zu studieren, während viele Athlet_innen im akademischen Jahr vor den Olympischen Spielen mit dem Studium aussetzen.» Während des Semesters trainiert Janzen in erster Linie auf dem Wohlensee. Wie viele Stunden sie pro Woche investiert, will die schweizerisch-deutsche Doppelbürgerin mit Wurzeln in Rostock nicht sagen. «Das gehört zu den Betriebsgeheimnissen.» Die Flexibilität der Universität Freiburg sei der andere Grund, warum sie Studium und Spitzensport miteinander vereinbaren könne. «Die Uni lässt mir viele Freiheiten, wann ich wie viel mache. Die Professor_innen sind ebenfalls verständnisvoll, wenn ich häufiger sportbedingt abwesend bin.» So geht Aurelia-Maxima Janzen ihr eigenes Tempo.
Die nächsten internationalen Wettkämpfe folgen
Bevor sie am 16. September für den Semesterauftakt zurück an der Uni Freiburg sein wird, drückt die 20-Jährige zuerst noch einmal mit ihrem Boot aufs Tempo. In eineinhalb Wochen startet sie im kanadischen Saint Catharines an der U23-WM, drei Wochen später an der U23-EM im türkischen Edirne. Welche mittel- und langfristigen Ziele verfolgt Aurelia-Maxima Janzen in ihrer Ruderkarriere? Allzu sehr will sie sich nicht auf die Äste hinauslassen. «Ich will besser werden. Anders gesagt: Wenn ich effizienter werde, kann ich richtig schnell sein. Im Rudersport ist man mit 20 recht jung, die Silbermedaillengewinnerin in Paris, Emma Twigg, ist beispielsweise 37-Jährig. Es bietet sich mir also ein gewisser Horizont.» Tatsächlich war Janzen in Paris die jüngste aller 32 Konkurrentinnen. Es spricht also wenig dagegen, dass sie noch viele weitere olympische Abenteuer miterleben wird. Und vielleicht klappt es 2028 in Los Angeles dann auch mit dem olympischen Diplom.
- Studium und Spitzensport
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