Alzheimer05.07.2016
Spuren im Gehirn von Alzheimer-Patienten
Die Alzheimer-Krankheit hinterlässt bereits Jahre vor dem Auftreten der typischen Symptome erste Spuren im Gehirn. Dazu gehört die dysfunktionelle Ansammlung des Notch1-Proteins, welche die Synapsen zwischen den Nervenzellen ausser Gefecht setzt und so zum kontinuierlichen Gedächtnisverlust führt. Die Forschungsgruppe von Dr. Lavinia Alberi am Department für Medizin der Universität Freiburg will genau dieses Protein nun als Biomarker in der Frühdiagnostik von Morbus Alzheimer verwenden.
Im Gehirn von dementen Patienten bilden sich abnormale fibrilläre Aggregate, die durch Notch1- und Tau-Proteine gekennzeichnet sind (weisse Pfeile); bei gesunden Menschen treten keine solchen Ansammlungen auf.
Alzheimer ist eine neurodegenerative Erkrankung, die zum Absterben von Gehirnzellen, zu Gedächtnisverlust und schliesslich zu Demenz führt. Aktuell leiden in Europa rund 6 Millionen Menschen unter der Krankheit; in der Schweiz sind rund 119'000 Menschen davon betroffen – das entspricht in etwa der Wohnbevölkerung der Stadt Bern. Der Verlauf der Alzheimer-Krankheit durchläuft verschiedene Stadien, die sich über eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten ausdehnen können und während derer die Vermehrung von sogenannten amyloiden Ablagerungen (Beta-Amyloid-Plaques) und neurofibrillären Bündeln (Neurofibrillen) laufend zunimmt. Interessant dabei ist, dass die Ablagerungen und Neurofibrillen bereits Jahre vor dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome beginnen. Versuche an Nagetieren zeigen allerdings, dass weder das Blockieren der Plaques noch das Unterbinden von neuen fibrillären Ablagerungen den Gedächtnisverlust aufhalten kann. Es müssen also zusätzliche molekulare Spuren im Gehirn identifiziert werden, um effiziente Therapien gegen die zerstörerische Krankheit entwickeln zu können.
Potentieller Biomarker für den Morbus Alzheimer
Nervenzellen sind über Synapsen verbunden. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Hippocampus, die für das Gehirn wichtigste Region zur Speicherung von neuen Informationen. Bei der Alzheimer-Krankheit werden die Verbindungen der Nervenzellen im Hippocampus kontinuierlich geschwächt, was dazu führt, dass Informationen nicht richtig weitergeleitet und gespeichert werden können. Die Folgen daraus sind eine kontinuierliche Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung und Desorientiertheit der Betroffenen. Die Forschungsgruppe von Dr. Alberi am Departement für Medizin erforscht seit Jahren die biologische Funktion des sogenannten „Notch1-Signalwegs“ im Zusammenhang mit Gedächtnis und Neurodegeneration. In ihrer kürzlich erschienenen Publikation auf Acta Neuropathologica Communication zeichnete die Alberi-Forschungsgruppe nun erstmals einen detaillierten Verlauf der Verändungen des Notch1-Signalwegs anhand des Gehirns von verstorbenen Alzheimer-Patienten. Dr. Emanuele Brai, der Erstautor dieser Studie, entdeckte, dass eine deutliche Verschiebung des Notch1- Proteins von den Neuronen zu den Neurofibrillen und Plaques stattfand, was darauf schliessen lässt, dass ein Ungleichgewicht im Notch1-Signalweg zum Verlust von Synapsen und damit zu einer Beeinträchtigung des Gedächtnisses führen kann. Die Veränderungen von Notch1 konnten auch in der Gehirnflüssigkeit gefunden werden, was das Protein zu einem potentiellen Biomarker in der Frühdiagnostik der Alzheimerkrankheit macht. „Je früher die Krankheit diagnostiziert wird, desto grosser sind die Chancen, effektive und dauerhafte Therapien dagegen zu entwickeln – und wahrscheinlich wird eines Tages sogar eine komplette Heilung möglich sein“, so Dr. Lavinia Alberi.
Die vorliegenden Forschungsresultate liefern wichtige neue Erkenntnisse zur der Rolle des Notch1-Rezeptors in der Physiopathologie der Alzheimer-Krankheit und öffnen damit neue Wege für künftige Studien an der Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung. Ziel ist es, herauszufinden, ob Notch1 in der Therapie von Alzheimer-Patientinnen und Patienten als neuer Biomarker eingesetzt werden kann. Die Alberi-Gruppe führt ihre patientenorientierte Forschung in diesem Bereich nun am am neuen Swiss Integrative Center for Human Health (SICHH) fort, an welchem sie den Lead im Bereich der Gehirnforschung übernommen hat. Die künftige Forschungsarbeit wird in enger Zusammenarbeit zwischen dem SICHH, der klinischen Neurologie des HFR und dem Lehrstuhl für Pathologie der Universität Freiburg durchgeführt.
Die Studie wurde durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und die Synapsis Foundation for Alzheimer’s Research Switzerland unterstützt.
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