Erziehung 22.02.2019

Gewalt an Kindern nimmt ab, ist aber nach wie vor weit verbreitet


Rund die Hälfte der Eltern wendet in der Erziehung Körperstrafen an, psychische Gewalt sogar 70 Prozent. Fast 95 Prozent der Befragten Eltern geben an, selten oder gar nie körperliche Gewalt anzuwenden – ein deutlicher Anstieg seit der ersten Erhebung im Jahr 1990. Dies geht aus der nun veröffentlichten Studie «Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz» hervor, die die Universität Freiburg im Auftrag von Kinderschutz Schweiz durchgeführt hat.

Die «beliebteste» Form von Körperstrafen sind Schläge auf den Hintern mit der Hand. Weniger häufig ist das Schlagen mit Gegenständen oder auch das kalt Abduschen. Eine klare Minderheit wendet tägliche Körperstrafen an. Dennoch dürften gemäss Schätzungen der Studienautoren bis zu 130'000 Kinder in der Schweiz vom regelmässigen Einsatz von Gewalt in der Erziehung durch ihre Eltern betroffen sein.

Eltern schlagen Ihre Kinder oft in eskalierenden Situationen. Dieser Befund unterstreicht die Wichtigkeit einer Sensibilisierung für unangemessenes, Gewalt beinhaltendes Verhalten. Es stützt die Bedeutung von Regeln zur Prävention eskalierender Eltern-Kind-Interaktionen.

Deutliche Fortschritte seit 1990
Es kann insgesamt ein bedeutsamer, andauernder Rückgang der Gewalthäufigkeiten beobachtet werden. Dieser war schon zwischen 1990 und 2003 feststellbar und hat sich seit 2003 in ähnlichem Tempo fortgesetzt. Dahinter steht vor allem der Trend, dass vermehrt Eltern vollständig auf Gewalt verzichten und gleichzeitig weniger Eltern häufige Gewalt ausüben. Körperstrafen nahmen dabei vor allem bei Eltern mit jüngeren und mehreren Kindern ab.

Mehrheit wendet psychische Gewalt an
Rund 7 von 10 Befragten gaben an, zumindest in seltenen Fällen psychische Gewalt anzuwenden. Immerhin geben fast zwei Drittel dieser Personen an, dies selten oder sehr selten zu tun, bzw. liegt dies bei mehr als der Hälfte der Befragten länger als einen Monat zurück. Die häufigste Form psychischer Gewalt ist, dem Kind mit Worten weh zu tun und es heftig zu beschimpfen (42%), aber auch das Drohen mit Schlägen kommt häufig vor, gefolgt von Liebesentzug. Weniger häufig (12%) drohen Eltern ihren Kindern damit, sie wegzugeben.

Die Leistungsfähigkeit und Gesundheit zukünftiger Generationen könnte durch eine deutliche Reduktion der Anwendung psychischer Gewalt verbessert werden. Angesichts der nach wie vor grossen Zahl von Kindern, die in der Schweiz regelmässig von Gewalt betroffen sind, zeichnet sich deshalb für die Schweizer Gesellschaft ein grosses Potential darin ab.

Dritte vergleichbare Studie
Die 130 Seiten umfassende Studie «Bestrafungsverhalten von Eltern in der Schweiz. Physische und psychische Gewalt in Erziehung und Partnerschaft in der Schweiz: Momentanerhebung und Trendanalyse» haben Forschende unter der Leitung von Prof. Dr. Dominik Schöbi des Instituts für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg erstellt.

Sie wurde im Auftrag von Kinderschutz Schweiz verfasst und ist die dritte ihrer Art nach 1990 und 2003. Als Grundlage dieser Untersuchung dienen Daten einer Stichprobenerhebung bei insgesamt 1523 Personen. Erste Ergebnisse wurden von Kinderschutz Schweiz bereits im November publiziert anlässlich der Lancierung einer Sensibilisierungskampagne für den gewaltfreien Umgang zwischen Eltern und ihren Kindern.