Geowissenschaften19.03.2019

Der Permafrost in der Schweiz erwärmt sich wieder


Nach einer kurzen Pause von 1–2 Jahren setzt sich die Erwärmung des alpinen Permafrostes im hydrologischen Jahr 2017/18 wieder fort. Das zeigen die neusten Messungen des Schweizer Permafrostmessnetzes PERMOS unter der Leitung der Universität Freiburg. Die Abkühlung ist in der Tiefe noch nicht sichtbar, aber in den oberflächennahen Schichten sind die Permafrosttemperaturen bereits wieder nahe bei oder über den bisherigen Rekordwerten und zeigen einen wieder aufgenommenen Erwärmungstrend.



Das hydrologische Jahr 2017/18 war in der Schweiz geprägt durch einen schneereichen Winter sowie ein extrem warmes und trockenes Sommerhalbjahr (April bis September). Die dicke Schneedecke schmolz mit den warmen Frühlingstemperaturen schnell und erreichte Ende Frühling bereits durchschnittliche Werte. Die Oberflächentemperaturen in den Schutthalden und Blockgletschern im Permafrost der Schweizer Alpen entsprachen aufgrund dieser Bedingungen von Oktober 2017 bis Juni 2018 den saisonal üblichen Werten und übertrafen aufgrund der grossen Hitze und starken Sonneneinstrahlung des Sommers 2018 die Norm von Juli bis September 2018 deutlich.

Die warmen Bedingungen an der Oberfläche führten an 4 von 15 Bohrlochstandorten von PERMOS zu Rekordwerten der Mächtigkeit der Auftauschicht (d.h. der obersten Schicht des Permafrosts, die jeden Sommer auftaut). An 5 der Standorte ist sie nahe oder beim Rekordwert und an den restlichen Standorten ist die Auftauschicht noch nicht bestimmbar. Auf dem Stockhorn (3400 m.ü.M.) bei Zermatt (VS) erreichte die Auftauschicht 2018 eine Tiefe von 4,8 Metern, was deutlich mehr ist als der bisherige nach dem Hitzesommer 2003 gemessene Rekordwert von 4,3 Metern. Am gleichen Standort wurden 2018 auch die bislang tiefsten elektrischen Widerstandswerte im Untergrund gemessen. Dies lässt auf eine Erhöhung des Anteils von flüssigem Wasser im Permafrost, und damit auf eine fortschreitende Eisschmelze, schliessen. Ähnliche Beobachtungen wurden auch auf dem Schilthorn in den Berner Alpen sowie am Blockgletscher Murtèl-Corvatsch im Oberengadin gemacht.

Trendwende in der Tiefe steht noch bevor
In den tieferen Schichten ist die Abkühlung von 2016/2017 noch feststellbar. An Standorten an denen die Schneedecke einen Einfluss auf die Bodentemperaturen hat, etwa Schutthalden oder Blockgletscher, sind die Temperaturen in 10 und 20 Metern Tiefe im September 2018 noch nicht wieder auf dem Niveau vor der Abkühlung. Da die sommerliche Hitze aber rund sechs Monate benötigt, um 10 Meter tief in den Boden vorzudringen, werden die Folgen des Sommers 2018 in grösseren Tiefen erst nach dem Winter 2019 feststellbar sein. An Standorten, an denen sich typischerweise keine dicke Schneedecke bildet, beispielsweise in steilen Felswänden, wurde die Erwärmung nicht unterbrochen und bis in tiefe Schichten wurden rekordhohe Temperaturen gemessen.

Ein weiterer Indikator für die wieder fortgesetzte Erwärmung des alpinen Permafrosts ist die 2018 beobachtete Stabilisierung oder leichte Beschleunigung der Geschwindigkeit von Blockgletschern (talwärts kriechende Schuttmassen bestehend aus Gesteinsblöcken und Eis). Generell bewegen sich diese Geländeformen entsprechend der Entwicklung der Permafrost-Temperaturen und werden schneller, wenn diese steigen.

Der kurze Unterbruch des Erwärmungstrends des alpinen Permafrostes im hydrologischen Jahr 2016/17 war nur vorübergehend. Die Ergebnisse zeigen übereinstimmend, dass die beobachtete Abkühlung in den Schutthalden und Blockgletschern ein vorübergehendes Phänomen war, das auf einen bis zwei sehr schneearme Winter zurückzuführen ist. Die Daten des hydrologischen Jahres 2017/18 zeigen in den obersten Schichten eine Wiederaufnahme des Erwärmungstrends nach einem sehr heissen und trockenen Sommer mit Temperaturen nahe bei oder sogar über den bisherigen Rekordwerten. Die Abkühlung ist in der Tiefe an vielen Standorten noch sichtbar, doch wird der Einfluss der grossen Hitze im Sommer 2018 hier erst in einigen Monaten voll zum Ausdruck kommen.

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Permafrost
Permafrost (oder dauerhaft gefrorenes Untergrundmaterial) ist ein thermisches Phänomen und durch die Temperatur des Untergrundes definiert. In der Schweiz findet man ihn unter gut 5 % der Landesfläche, typischerweise in schattigen und hochgelegenen Schutthalden und Felswänden oberhalb von etwa 2500 Meter über Meer. Ob Permafrost vorhanden ist, wird stark durch die klimatischen Bedingungen beeinflusst. Er ist deshalb ein guter Indikator für Änderungen dieser Bedingungen, auch wenn Änderungen im Permafrost anders als bei den Gletschern nicht direkt sichtbar sind. Die Temperaturmessungen in Bohrlöchern sind die einzigen direkten Permafrost-Messungen. Sie werden im Rahmen von PERMOS durch indirekte Messungen ergänzt: Geschwindigkeit der Blockgletscher sowie Veränderungen des Eisanteils (bzw. des Wasseranteils) im Untergrund.

PERMOS
Das Schweizer Permafrostmessnetz PERMOS dokumentiert seit dem Jahr 2000 den Zustand des alpinen Permafrosts mittels Temperatur-, geophysikalischen und Bewegungsmessungen. Die Messungen werden durch das Bundesamt für Umwelt BAFU, das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz im Rahmen von GCOS Schweiz und die Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) finanziell unterstützt und durch die folgenden sechs Partner getragen: Universitäten Lausanne, Freiburg und Zürich, ETH Zürich, Fachhochschule Südschweiz SUPSI und WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF.