SZIG05.11.2019
Imame: Bildungswege unterscheiden sich stark
Die in der Schweiz tätigen Imame qualifizieren sich in einem breiten Spektrum von zumeist ausländischen Bildungseinrichtungen. Eine standardisierte Imamausbildung in der Schweiz gibt es nicht. Dies geht aus der neu erschienenen Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg hervor.
Ökonomische Anreize durch Stipendien, Lernmöglichkeiten für die arabische Sprache und persönliche Interessen prägen neben theologischen Ausrichtungen die Wahl des Studienortes. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie von Hansjörg Schmid, geschäftsführender Direktor des SZIG, und Noemi Trucco, die im Rahmen eines Projekts des Schweizerischen Nationalfonds an der Universität Freiburg zu Imamen in der Schweiz promoviert. Die Autoren nahmen Personen in den Blick, die längerfristig als religiöse Experten in muslimischen Gemeinden tätig sind und dort oft mit weiteren Betreuungspersonen etwa im Bereich der Jugend- und Frauenarbeit kooperieren.
Gemeinden vor grosse Herausforderungen gestellt
Die vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten geförderte Studie zeigt, wie die insgesamt rund 130 Imame in der Schweiz in verschiedenen sprachlichen Gemeinschaften rekrutiert werden. Eine grosse Herausforderung für die Gemeinden besteht in der Suche nach Personen, die den vielfältigen religiösen und gesellschaftlichen Anforderungen an Imame entsprechen. Inzwischen sind erste in der Schweiz aufgewachsene Personen als Imame tätig.
Die von den Imamen am meisten frequentierten Ausbildungseinrichtungen sind auf dem Balkan, in der Türkei, in Ägypten und Saudi-Arabien zu finden und weisen unterschiedliche Profile auf. In mehreren Ländern findet eine Akademisierung des Imamberufs statt. Während ein Teil der Curricula bewusst theologische und interdisziplinäre Zugänge miteinander verknüpft, sind andere von Abgrenzungen und wenig interaktiven Lernformen gekennzeichnet.
Mangelndes berufspraktisches Angebot
Die Bildungsangebote für Imame unterscheiden sich in den europäischen Ländern. Während in Frankreich theologische Studien weitgehend den Herkunftsländern und privaten Institutionen überlassen werden, wurden in Deutschland, Österreich und den Niederlanden Studiengänge für islamische Theologie an staatlichen Universitäten aufgebaut. Berufspraktische Angebote für Imame fehlen dort jedoch und muslimische Gemeinden bevorzugen meist Absolventen klassischer Bildungseinrichtungen aus muslimischen Ländern.
Ausland oder Schweiz? Ein Entweder-oder gibt es nicht
Im Blick auf die ausgehend von einem Fall in Kriens aktuell geführte Diskussion über Imame in der Schweiz zeigt die Studie, dass Forderungen nach einer grundständigen Imamausbildung in der Schweiz an der komplexen Wirklichkeit stark internationalisierter Bildungswege vorbeigehen. «Denkbar sind Kombinationen von Studien- und Weiterbildungsangeboten im Ausland wie im Inland. Pauschalurteile ausgehend vom Studienort eines Imams helfen nicht weiter. Vielmehr sollten die Imame als Individuen mit ihren Bildungsmotivationen in den Blick genommen und davon ausgehend Anreize gesetzt werden, um sich weiterzubilden», so die Autoren der Studie. Ein solch offeneres Modell kann eine geeignete Grundlage für einen breiten Dialog über die Anliegen der Imamebildung bieten, in dem Aushandlungsprozesse zwischen gesellschaftlichen, politischen und religionsgemeinschaftlichen Interessen erforderlich sind.
Das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft SZIG besteht seit 2015 und ging aus einem Dialog zwischen Bundesbehörden, muslimischen Gemeinschaften und Hochschulen hervor. Es bietet selbst unter anderem Weiterbildungen für Imame und weitere Zielgruppen sowie seit Herbstsemester 2019 einen Masterstudiengang «Islam und Gesellschaft» an.
Die Studie ist als kostenloser Download erhältlich.