14.11.2012

Dies Academicus 2012


Sie alle stellen den Menschen ins Zentrum ihrer Arbeit: Giorgio Agamben, italienischer Philosoph und Verfechter einer der heutigen Zeit angepassten Menschenrechtspolitik; Nicolaas Steytler, international anerkannter Experte für Verfassungs- und Menschenrechte aus Südafrika; Giovanni Orelli, dem Humanismus verpflichteter Tessiner Schrifsteller und Peter Suter, ehemaliger Chefarzt am Universitätsspital Genf. Sie alle wurden am diesjährigen Dies Academicus der Universität Freiburg mit einem Ehrendoktortitel geehrt.



Die Festansprachen hielten Rektor Guido Vergauwen, die Freiburger Staatsrätin und Erziehungsdirektorin Isabelle Chassot, der Walliser Staatsrat und Erziehungsdirektor Claude Roch, der Oberamtmann des Greyerzbezirks Patrice Borcard sowie die Präsidentin des Vereins des administrativen und technischen Universitätspersonals Sophie Tritten. Der zweiteilige Festvortrag stand unter dem Titel «Auf dem Weg zum Jubiläum 2014»: Prof. Katharina Fromm der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät referierte zur Frage: «Die Evolution der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät – Unde? Ubi? Quo?»; Prof. Marino Widmer der Wirtschafts- und Sozialwissenschaflichen Fakultät sprach über «Faculté des sciences économiques et sociales: séparer pour profiler, diviser pour renforcer».

> Akademische Würdigungen

> Wissenschaftliche Preise



Akademische Würdigungen

Die Universität Freiburg verleiht vier Ehrendoktorate an folgende Persönlichkeiten:

Giorgio Agamben
Die Theologische Fakultät verleiht den Ehrendoktortitel dem bekannten italienischen Philosophen Giorgio Agamben. Nach einem Jurastudium an der Universität La Sapienza in Rom schloss Agamben 1965 sein Philosophiestudium mit einer Arbeit über die politischen Schriften der französischen Philosophin Simone Weil ab. In seiner Studienzeit pflegte Giorgio Agamben den freundschaftlichen und intellektuellen Austausch mit Persönlichkeiten aus Literatur- und Filmkreisen, wie Elsa Morante, Alberto Moravia und Ingeborg Bachmann. Mit Regisseur Pier Paolo Pasolini arbeitete er auch als Darsteller des Apostels Philippus im Film Il vangelo secondo Matteo zusammen. Nach mehreren Jahren in Paris kehrte Giorgio Agamben nach Italien zurück und leitete für Verleger Giulio Einaudi die italienische Ausgabe der gesammelten Werke von Walter Benjamin, wobei er auf wichtige Manuskripte des Autors stiess. Seit 2003 bis zu seiner Emeritierung war Agamben Professor für Ästhetik an der Universität IUAV in Venedig. Giorgio Agamben ist einer der profiliertesten zeitgenössischen Philosophen; seine Analysen haben nicht selten wichtige gesellschaftlich-politische Entwicklungen antizipiert. Agamben stellt in seinen Schriften die Tragfähigkeit der heutigen Menschenrechtskonzepte in Frage und will dazu ermutigen, die Einzigartigkeit des Menschen und dessen ethisch-politische Verantwortung neu zu denken und zu leben.

Nicolaas Steytler
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät verleiht Prof. Nicolaas Steytler die Ehrendoktorwürde. Prof. Steytler ist Direktor des Community Law Centre der Universität Western Cape in Südafrika, welches bei der Schaffung und Umsetzung der südafrikanischen Verfassung von 1994 eine wesentliche Rolle spielte. Nicolaas Steytler war ausserdem persönlich an den Verhandlungen mit dem African National Congress ANC und den Vorarbeiten für die neue Verfassung beteiligt, was ihn, unter anderem, zu einem internationalen Experten in den Bereichen Staatsorganisation, Demokratisierung und Menschenrechte gemacht hat. Seit 1994 ist Nico Steytler als Professor an der Universität Western Cape sowie an der Universität Natal tätig und präsidiert seit 2008 ausserdem die International Association of Centres for Federal Studies (IACFS), welche der Vernetzung der universitären Institute dient, die im Bereich von Föderalismus, Dezentralisierung und Minderheitenschutz tätig sind. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Prof. Steytler von der Nationalen Forschungsstiftung Südafrikas als «international anerkannter Forscher» ausgezeichnet. Der renommierte Forscher ist insbesondere mit dem Institut für Föderalismus der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg eng verbunden. Dies sowohl aufgrund der Zusammenarbeit im Rahmen der International Association of Centres for Federal Studies wie auch durch sein mehrfaches Mitwirken an Weiterbildungsveranstaltungen des Instituts.

Giovanni Orelli
Dem Schriftsteller Giovanni Orelli wird von der Philosophischen Fakultät die Ehrendoktorwürde verliehen. Der gebürtige Tessiner ist im Bedretto-Tal aufgewachsen, wo er zu Beginn seines beruflichen Werdegangs einige Jahre als Primarlehrer tätig war. Nach dem Studium an den Philosophischen Fakultäten der Universitäten Zürich und Mailand liess sich Giovanni Orelli in Lugano nieder, wo er während 30 Jahren als Gymnasiallehrer unterrichtete und dazu während einer Legislaturperiode im Grossen Rat des Kantons Tessin vertreten war. Bereits als Schüler am Gymnasium entdeckte der junge Orelli seine Passion für die Literatur – seit 1965 publiziert er als erfolgreicher Autor Prosa und Lyrik. Seine Werke wurden mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnet; 2012 erhielt er den renommierten Grossen Schillerpreis für sein Lebenswerk. Giovanni Orelli vermag es, seine Tessiner Wurzeln und seine Schweizer Heimat so hervorzuheben, dass daraus nicht Schranken werden, sondern vielmehr Brücken, die sowohl Regionen wie Sprachen zu verbinden wissen.

Peter Suter
Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät verleiht die Ehrendoktorwürde an Peter Suter. Der langjährige Chefarzt für chirurgische Intensivmedizin am Universitätsspital Genf, der von 1995 bis 2005 als Ordinarius für Intensivmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Genf lehrte, hat einen wesentlichen Beitrag geleistet zum Fortschritt der klinischen Forschung in der Schweiz, insbesondere im Bereich der Intensivmedizin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Lungenphysiologie, die Sepsis und andere infektiöse Erkrankungen sowie deren Behandlungen. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hat sich Peter Suter politisch stets eingesetzt für die Entwicklung des Schweizer Gesundheitssystems sowie für die medizinische Berufsausbildung. Nicht minder beachtlich ist Peter Suters Engagement in der Wissenschaftspolitik, er ist Präsident der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften sowie Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz. Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät ist ihm insbesondere verbunden für seine Unterstützung bei der Umsetzung des 3. Studienjahres und Bachelorlehrgangs für Medizin an der Universität Freiburg.


Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät hat beschlossen, die Ehrendoktorwürde an den Schweizer Pionier der Kommunikations- und Medienwissenschaft, Prof. Ulrich Saxer, zu verleihen. Prof. Saxer ist jedoch kurz nach diesem Beschluss, am 8. Juni dieses Jahres im Alter von 82 Jahren verstorben.

Wissenschaftliche Preise


Umweltpreis

Der vierte Umweltforschungspreis der Universität Freiburg wird an Sandra Daguet verliehen für Ihre Doktorarbeit «Environmental Taxes: Institutions, Implementation and the Use of Revenues» an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät. Sandra Daguet analysiert darin die mögliche Umsetzung einer Umweltsteuer und deren Effizienz in Europa. Der mit 10'000 Franken dotierte Preis wird von der Sociéte anonyme pour l’incinération des déchets du canton de Fribourg et de la Broye vaudoise (SAIDEF) gestiftet und alle zwei Jahre von der Universität Freiburg verliehen. Mit Vorrang werden herausragende wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet, die sich mit relevanten Umweltthemen befassen.

Chorafas-Preis

Für seine herausragende Doktorarbeit mit dem Titel «Pharmacological and Molecular Approaches to Study Mechanisms of Fin and Heart Regeneration in Zebrafish» erhält Fabian Chablais den diesjährigen Preis der Chorafas Stiftung. In seiner Studie erläutert der Biologe die Möglichkeit, die Zell- und Molekülmechanismen zu identifizieren, die zu einer fast einwandfreien Wiederherstellung eines verletzten Organs nötig sind. Zur Umsetzung seiner Theorie hat sich der Biologe dem Studium der Zebrafische gewidmet, da diese, im Gegensatz zum Menschen, in der Lage sind, Verletzungen am Herzen (Herzinfarkt) zu kurieren und ein amputiertes Organ wiederherzustellen (z. Bsp. die Schwanzflosse). Zum besseren Verständnis der spezifischen Signale, welche die Zellen während des Rekonstruktionsprozesses der komplexen Organe leiten, hat Fabian Chablais neuartige Methoden entwickelt, die im Bereich der Entwicklungsbiologie und der regenerativen Medizin von herausragender Bedeutung sein könnten. Die Dimitris N. Chorafas Stiftung vergibt jedes Jahr rund 30 mit je 4000 USD dotierte Preise an junge Forschende aus der ganzen Welt, die sich mit herausragenden Arbeiten im Bereich der Naturwissenschaften hervorgetan haben.

Vigener-Preise
Mit den 1908 gestifteten Joseph Vigener-Preisen, die mit 2'000 Franken dotiert sind, werden jährlich herausragende Diplom-, Master- oder Doktorarbeiten ausgezeichnet. Am Dies Academicus 2012 verleihen vier Fakultäten Vigener-Preise:

– Die Vigener-Preise der Rechtswissenschaftlichen Fakultät gehen an zwei Laureaten: Anne-Christine Fornage für ihre Doktorarbeit mit dem Titel «La mise en oeuvre des droits du consommateur contractant – Etude de droit suisse avec des incursions en droit de l’union européenne, en droit anglais, français et allemand» und Vincent Mignon für seine Doktorarbeit mit dem Titel «Le droit privé suisse à l’épreuve du droit privé communautaire – Analyse méthodologique comparée des droits français, allemand et suisse».

– Die Vigener-Preise der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät gehen ex aequo an: Yves Chochard für seine Doktorarbeit mit dem Titel «Les variables influençant le rendement des formations managériales. Une étude de cas multiple suisse par la méthode de l’analyse de l’utilité» und Philippe Masset für seine Doktorarbeit mit dem Titel «Four Essays on the Empirical Properties of Stock Market Volatility».

– Der Vigener-Preis der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät geht an Srividya Velagapudi für ihre Masterarbeit in Biochemie mit dem Titel «S6K1 Promotes Vascular Endothelial Senescence and Inflammation through Up-regulation of Arginase-II».

– Die Vigener-Preise der Philosophischen Fakultät gehen an die Laureaten: Matthieu Gillabert für seine Doktorarbeit mit dem Titel «Dans les coulisses de la politique culturelle suisse à l’étranger» und Delphine Vincent für ihre Doktorarbeit mit dem Titel «“L’oeil écoute“. Musique classique filmée: perception, réception, idéologie».

Jean-Louis Leuba-Preis
Die Theologische Fakultät verleiht den Jean-Louis Leuba-Preis an: Christoph Schwyter für seine Doktorarbeit mit dem Titel «Das sozialpolitische Denken der Russischen Orthodoxen Kirche – Eine theologische Grundlegung auf der Basis offizieller Beiträge seit 1988». Der vom 2005 verstorbenen Pastor Jean-Louis Leuba ins Leben gerufene Preis zeichnet theologische Arbeiten im Bereich der Ökumene aus.

Ethikpreis des Hochschulrats
Valérie Viaccoz erhält den erstmals verliehenen Ethikpreis des Hochschulrats für Ihre Masterarbeit in Rechtswissenschaften mit dem Titel «Quelle protection juridique pour l’embryon humain contre des pratiques telles que la modification génétique, la congélation, la sélection, la recherche, la destruction dans le cadre des procréations médicalement assistées et de la recherche médicale? Vers la promotion d’un statut juridique de l’embryon?» Die Jury attestiert Valérie Viaccoz die Fähigkeit zur Präsentation einer komplexen Thematik auf herausragend klare und verständliche Art und Weise sowie eine beeindruckende wissenschaftliche Genauigkeit, welche die Basis bildet für eine strukturierte Analyse sowie eine persönliche Stellungnahme. Der Hochschulrat ist eine ständige Kommission des Freiburger Staatsrats, welche sich mit Fragen zur Universitätspolitik befasst und mehrere Fonds zu Gunsten der Universität verwaltet. Er unterstützt namentlich das Schwerpunktprogramm Ethik. Der Ethikpreis wird alle zwei Jahre verliehen für eine herausragende Masterarbeit an einer der fünf Fakultäten der Universität Freiburg zu einem Thema der angewandten Ethik. Er ist mit 5000 Franken dotiert.

Fotos: Die Bilder der Veranstaltung können am 14. November ab 17 Uhr unter http://www.unifr.ch/go/dies2012 heruntergeladen werden. Das Copyright Martine Wolhauser ist zu berücksichtigen.