23.10.2014

Kraftakt in Sachen Gleichgewicht: Die tägliche Arbeit der Niere


Eine Badewanne voller Wasser und ein Kilo Salz gehören zum täglichen Grundumsatz der menschlichen Niere. Läuft der Rückfluss an Wasser und Substraten aus dem Ruder, kommt das Blutdruck- und Flüssigkeitsgleichgewicht ins Schwanken. Eine Studie des Departements für Medizin der Universität Freiburg belegt nun, dass der Wasserrücktransport aus dem Urin in den Blutkreislauf viel sensibler abgestimmt ist, als bisher angenommen. Ein Mechanismus, der im menschlichen Körper eine zentrale Rolle spielt.


(Bild: Thinkstock)

Es ist von grossem Interesse, zu verstehen, wie die Niere die immense Aufgabe der Rückresorption von ca. 159l Wasser (eine Badewanne voll Wasser) und ca. 900g Salz täglich bewältigt um das Blutdruck- und Flüssigkeitsgleichgewicht zu halten. Klinische Symptome bei Versagen dieser renalen Funktion bedeuten für den Patienten eine drastische Minderung des Allgemeinwohlseins; auf lange Sicht können sekundären Folgeeffekte entstehen, d.h. Organschäden im ganzen Körper. Die vorliegende Studie des Departements für Medizin der Universität Freiburg belegt, dass die Wasserrückresorption, also die „Wasserrückgabe“ aus dem Urin in den Blutkreislauf, in einem bestimmten Abschnitt der Niere feinabgestimmt ist in Abhängigkeit mit der Gefässzirkulation. Die neuen Erkenntnisse überholen die lang angenommene Hypothese des Vorhandenseins eines ständig aktiven (konstitutiven) Wassertransportes in der Niere.

Alles fliesst – aber nicht unkontrolliert

Eine der Hauptaufgaben der Niere ist die Konstanthaltung des zirkulierenden Blutvolumens. Erfüllt die Niere diese Aufgabe nur teilweise bis gar nicht, kann es zum Auftreten von zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck oder zu Einlagerungen von Flüssigkeit im Gewebe kommen, mit der Ausbildung sogenannter Ödeme. Dabei passieren täglich rund 160 Liter Wasser sowie eine Anzahl an gelösten Substanzen, wie beispielsweise rund 1 Kilo Salz, und körperwichtige Eiweisse über die Niere die sogenannte Blut-Harnbarriere und werden über ein speziell aufgebauten Röhrensystem auf kleine Mengen für die Ausscheidung reduziert. Zur Erhaltung des Gleichgewichts von Blutvolumen und Blutdruck (Homöostase) resorbiert der Anfangsabschnitt dieses Röhrensystems den grössten Anteil. In diesem Abschnitt befindet sich auch der Wasserkanal Aquaporin-1. Dieser Wasserkanal ist verantwortlich dafür, dass das Wasser durch Lipidmembranen der Zelle hindurchwandern kann und so dem Blutkreislauf wieder zugeführt wird. Da wichtige Hormone zur Regulation des osmotischen Drucks der Körperflüssigkeiten (Osmoregulation) keinen Effekt auf diesen Kanal zeigten, glaubte man lange Zeit, dass dieser konstitutiv vorhanden sei, sich also nicht an veränderte Bedingungen des Körpermilieus anpasst.

Die Forschungsresultate der Gruppe von Prof. Franziska Theilig zeigen nun, dass eine veränderte Fliessgeschwindigkeit des noch unkonzentrierten Primärharns ein Signal in die Zelle sendet, was bewirkt, dass vermehrt Aquaporin-1 in die Zellmembran eingebaut wird. Dies wird erreicht, indem die Zelle Aquaporin-1 aus einem intrazellulären Pool in die Membran umverteilt und der Kanal durch veränderte Proteinmarkierung stabiler gemacht wird, welches den Abbau verhindert. Dieser Mechanismus bewerkstelligt kurzfristig innerhalb weniger Minuten einen verdoppelten Wasserdurchfluss durch die Zelle und erhöht dementsprechend die Rückresorption in das Blut drastisch. Diese schnelle Anpassung an veränderte äussere Bedingungen lässt sich auch auf andere Organe übertragen, wie beispielsweise das Gehirn, wo Aquaporin-1 eine Rolle spielt in der Gehirnflüssigkeitsproduktion und der lokalen Ödementwicklung. Das Wissen über die Mechanismen dieser Regulation könnte in Zukunft pharmazeutische Angriffspunkte bieten, um einen Flüssigkeitsaustritt bzw. -durchfluss zu unterbinden und so die klinischen Komplikationen wie das vermehrte Auftreten von Wasser (wie z.B. Ödeme, erhöhter Blutdruck oder Liquordruck) verhindern.

Publikation:
Short-Term Functional Adaptation of Aquaporin-1 Surface Expression in the Proximal Tubule, a Component of Glomerulotubular Balance.
Pohl M, Shan Q, Petsch T, Styp-Rekowska B, Matthey P, Bleich M, Bachmann S, Theilig F.
J Am Soc Nephrol. 2014 Sep 30. pii: ASN.2014020148. [Epub ahead of print
Link: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25270072

Kontakt:
Prof. Franziska Theilig, Departement für Medizin, franziska.theilig@unifr.ch, 026 300 85 47