12.10.2015
Big Bang: Auf, zu einer genaueren Messung der Symmetrie von Neutronen
Unser Universum besteht aus deutlich mehr Materie, als sich mit bisherigen Theorien erklären lässt. Dieser Umstand ist eines der grössten Rätsel der modernen Wissenschaft. Eine mögliche Erklärung führt über die Annahme eines sogenannten elektrischen Dipolmoments des Neutrons. Forschende einer internationalen Kollaboration haben eine neue Methode entwickelt, um dieses Dipolmoment genauer als je zuvor zu bestimmen. Die Experimente werden am Paul Scherrer Institut (PSI) mit Beteiligung von Physikern der Universität Freiburg durchgeführt.
Blick ins Innere der Vakuumkammer, welche die Neutronen-Speicherkammer enthält. Die 16 Magnetometer befinden sich innerhalb der Elektroden. (Foto: M. Kasprzak)
Neutronen sind Teile der Atomkerne und damit grundlegende Bausteine der Materie aus der Sterne, Planeten und wir selber bestehen. Obwohl Neutronen allgegenwärtig sind, bleiben einige ihrer Eigenschaften immer noch ungenügend ergründet; darunter auch das sogenannte elektrische Dipolmoment des Neutrons (EDM=electric dipole moment). Ein solches Dipolmoment würde sich durch eine asymmetrische Verteilung der Ladungen innerhalb des an sich elektrisch neutralen Neutrons zeigen. Ein experimenteller Nachweis der Existenz eines EDMs hätte weitreichende Auswirkungen für unser Verständnis des Universums, da es helfen könnte zu erklären, weshalb beim Urknall deutlich mehr Materie als Antimaterie entstand. Um diese grundlegende Grösse zu bestimmen hat eine internationale Gruppe von am Paul Scherrer Institut (PSI) arbeitenden Forschern erfolgreich einen neue Messmethode entwickelt. Die Freiburger Physiker Antoine Weis und Zoran Grujic sowie die ehemaligen UNIFR-Mitarbeiter Georg Bison, Malgorzata Kasprzak, Paul Knowles und Hans-Christian Koch waren an diesem Durchbruch beteiligt.
Ultrakalte Neutronen vermessen
Die nEDM-Kollaboration am PSI hat dazu die sogenannte Spin-Echo-Methode zur Vermessung langsamer, sich frei bewegender Neutronen (man spricht von ultrakalten Neutronen) weiter entwickelt. Damit wurde ein neues, nicht-destruktives Bildgebungsverfahren zur hochgenauen Messung der Neutronen-Geschwindigkeit erschaffen. Grundsätzlich ist die Spin-Echo-Methode nicht neu. In der Medizin wird sie seit Jahrzehnten in der Magnetresonanztomographie genutzt, wo sie zur Darstellung von Gewebe und Organen dient. Der Unterschied und damit die grosse Herausforderung für die neue Methode ist, dass die hier verwendeten ultrakalten Neutronen extrem langsam sind und minutenlang beobachtet werden. Dies bedingt, dass alle experimentellen Rahmenbedingungen über Zeiträume von mehreren Minuten extrem stabil gehalten werden müssen. So muss ständig jede noch so winzige Änderung des Magnetfeldes gemessen und ausgeglichen werden. „Der Beitrag der Freiburger Atomphysik-Gruppe (FRAP) ist in diesem Bereich der Magnetfeldkontrolle angesiedelt. FRAP ist seit mehr als zehn Jahren ein aktives Mitglied der Kollaboration und hat für die Experimente ein System von ultra-empfindlichen Cäsium-Magnetometern entwickelt. Derzeit sind 16 solcher Magnetometer rund um die Uhr im Einsatz am PSI“, erklärt Antoine Weis, Leiter der FRAP-Gruppe am Departement für Physik.
Die präzise Magnetfeld-Kontrolle und weitere state-of-the-art Techniken sind nötig, um die Suche nach einem elektrischen Dipolmoment des Neutrons weiter voranzutreiben. Das Langzeit-Experiment wird noch rund ein Jahr weiterlaufen müssen, um die nötige Datenmenge zu haben, mit der sich das elektrische Dipolmoment des Neutrons bestimmen lässt. „Eines Tages können wir dann hoffentlich erklären, weshalb unser Universum aus so viel Materie besteht – warum sich also nicht kurz nach dem Urknall alle Materie und Antimaterie gegenseitig vernichtet haben“, hofft Klaus Kirch, Laborleiter Teilchenphysik am PSI, der an der Studie beteiligt war.
Weiterführende Informationen:
Suche nach dem elektrischen Dipolmoment des Neutrons am PSI: http://nedm.web.psi.ch/
Originalveröffentlichung:
S. Afach et al., Observation of Gravitationally Induced Vertical Striation of Polarized Ultracold Neutrons by Spin-Echo Spectroscopy, Phys. Rev. Lett. 115, 162502 (2015), http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.115.162502
Artikel zu APS Physics: http://physics.aps.org/articles/v8/100
Kontakt/Ansprechpartner:
Prof. Antoine Weis, Departement für Physik, 026 300 9030, antoine.weis@unifr.ch
Prof. Klaus Kirch, Labor für Teilchenphysik, Paul Scherrer Institut, 056 310 3278, klaus.kirch@psi.ch