Biologie15.02.2017
Gebietsfremde Arten weltweit auf dem Vormarsch
Über die letzten Jahrhunderte ist die Anzahl gebietsfremder Arten, auch Neobioten genannt, kontinuierlich gestiegen. Dieser Trend scheint sich fortzusetzen, wenn nicht gar zu intensivieren. Rund ein Drittel aller jemals registrierten Neobioten wurde nämlich erst zwischen 1970 und 2014 entdeckt.
Seit Jahrzehnten nehmen gebietsfremde Arten weltweit alljährlich zu. Und nicht nur das: Die Zunahmen wurden in den letzten Jahren gar immer noch stärker, wie die eben in „Nature Communications» erschienene Studie eines internationalen Forschungsteams belegt. Sven Bacher der Universität Freiburg gehört zu den Autoren der Studie und erklärt: «Wir haben herausgefunden, dass über die letzten 200 Jahre für alle Organismengruppen auf allen Kontinenten eine kontinuierliche Zunahme an gebietsfremden Arten zu verzeichnen ist. Die meisten Gruppen haben gar in den letzten Jahren erst die stärksten Erhöhungen erfahren. Mit Ausnahme von Säugetieren und Fischen sind aktuell keine Anzeichen einer Abschwächung dieses Trends zu sehen».
Die Ergebnisse sind das Resultat einer intensiven Zusammenarbeit von 45 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern rund um den Globus. Die Forschenden erstellten eine Datenbank mit Angaben zum Zeitpunkt, an welchem eine gebietsfremde Art zum ersten Mal in einer Region ausserhalb ihres heimischen Gebietes registriert wurde. Gestützt auf 45'000 solcher Ersteinträge von über 16'000 Neobioten analysierten die Forschenden die Entwicklung der gebietsfremden Arten über die letzten Jahrhunderte. Sie fanden heraus, dass 37 Prozent aller registrierten Neobioten zwischen 1970 und 2014 erfasst wurden. Der Rekord liegt bei weltweit 585 neuen Arten innerhalb eines Jahres, was mehr als 1,5 Arten täglich entspricht. «Da es natürlich nicht von allen gebietsfremden Arten einen Eintrag zu deren erstem Auftauchen gibt, sind unsere Zahlen klar eine Unterschätzung des wirklichen Ausmasses der Zunahme gebietsfremder Arten», betont Franz Essl der Universität Wien und Letztautor der Studie.
Die genauen Trends variieren je nach Organismengruppe, was auf den unterschiedlichen Einfluss des Menschen zurückzuführen ist. «Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte man eine starke Zunahme an Ersteinträgen von Gefässpflanzen beobachten, was sicherlich durch den Beginn des florierenden Handels mit Gartenpflanzen erklärt werden kann. Die Ersteinträge von Organismen wie Algen, Mollusken oder Insekten stiegen nach 1950 steil an, was wohl eine Konsequenz der zunehmenden Globalisierung im Handel war», so die Ausführungen von Erstautor Hanno Seebens des Senckenberg Biodiversity and Climate Research Centre (BiK-F) aus Frankfurt am Main.
Die beispiellose Zunahme an gebietsfremden Arten kann zu einer Erhöhung der Anzahl regionaler Arten führen, was wiederum negative Folgen für die Ökosysteme haben kann. So etwa eine globale Homogenisierung von Flora und Fauna oder auch das Aussterben von heimischen Lebewesen. Es sind verschiedene Rechtsmittel in Kraft, die auf globaler Ebene geben das Einführen von fremden Arten kämpfen. «Leider hat sich gezeigt, dass diese Mittel nicht effizient genug waren, um gegen die Globalisierung anzukommen. Es ist dringend nötig, wirkungsvollere Massnahmen auf allen Ebenen zu ergreifen» betont Sven Bacher.
Bild: Asiatischer Laubholzbockkäfer