ForschungPublikationsdatum 31.08.2023
Gesunde und nachhaltige Lebensmittel made in Freiburg
Können Sie sich Lebensmittel vorstellen, die ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl erzeugen und gleichzeitig reich an Nährstoffen sind? Dies wäre ein Wunschvorstellung für alle, die eine strenge Diät einhalten müssen. Das Team um Professor Stefan Salentinig vom Departement für Chemie der Universität Freiburg ist dieser Vorstellung nun einen Schritt nähergekommen. Durch die Kombination und Optimierung der Vorteile von Molke und Buriti-Öl, zusammen mit innovativer Analytik, haben die Wissenschaftler_innen eine vielversprechende neue Klasse gesunder funktioneller Lebensmittelmaterialien entwickelt. Ihre Arbeit wurde in der Fachzeitschrift Advanced Functional Materials veröffentlicht.
Molke ist ein bekanntes Produkt, das in einem typischen Schweizer Getränk, dem Rivella, enthalten ist. Molke ist eine blassgelbe Flüssigkeit, die nach der Gerinnung der Milch bei der Käseherstellung im Kessel zurückbleibt. Ihre Proteine sind eine wertvolle Nährstoffquelle mit hoher Verdaulichkeit und einem hohen Gehalt an Aminosäuren. Buriti-Öl ist eine einzigartige Nährstoffquelle, welche aus der amazonischen Superfrucht Buriti (Mauritia flexuosa) gewonnen wird. Es ist von Natur aus reich an Carotinoiden, Vitaminen (E und C), Phytosterolen, Phenolverbindungen und ungesättigten Fettsäuren, was durch die chemische Analyse in dieser Studie, in Zusammenarbeit mit der Swiss Nutrition and Health Foundation, aufgezeigt wird. «Dieses aussergewöhnlichen Eigenschaften machen Buriti-Öl zu einer idealen Zutat für die Entwicklung innovativer Lebensmittel», erklärt Rafael Freire, der als Doktorand an der Studie beteiligt war, «ganz abgesehen davon, dass sein einzigartiger Gehalt an Antioxidantien eine längere Haltbarkeit der Produkte ermöglicht, und auch potenzielle gesundheitliche Vorteile mit sich bringt». Durch das Emulgieren von Buriti-Öl mit Molke gelang es den Wissenschaftler_innen, eine neue Zutat zu schaffen, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken zum Einsatz kommen könnte. Die darin entdeckten natürlichen Strukturen ermöglichten es den Forschenden durch ihre Manipulation bestimmte Eigenschaften zu erzeugen, die die Zugänglichkeit von Nährstoffen während der Verdauung fördern und den Verdauungsprozess beeinflussen können.
Aus der High-Tech-Küche
Diese innovative Forschung stützt sich auf ein extra für diese Studie entwickeltes künstliches Modell der Verdauung, das die oralen, gastrischen und intestinalen Schritte simuliert. Durch den Einsatz modernster Technologien wie Röntgenkleinwinkelstreuung (SAXS), Tieftemperatur-Elektronenmikroskopie und Lichtstreuung konnten die Wissenschaftler_innen in Echtzeit die Veränderungen beobachten, die die Nahrungsmittel im Laufe der Verdauung durchlaufen. «Mithilfe von Emulsionstechniken und Struktur-Design können wir dann die Struktur dieser Lebensmittel von der molekularen bis zur mikroskopischen Skala anpassen», erklärt Stefan Salentinig, Professor für physikalische Chemie und Leiter des Projekts, «so konnten wir gezielte Eigenschaften und damit spezifische Wirkungen erzielen, z. B. um Diätpflichtigen zu helfen, länger satt zu bleiben, was ihre Behandlung erträglicher macht oder die Verfügbarkeit und Aufnahme von Nahrungsbestandteilen in den Körper zu verbessern, oder an die persönlichen Zustände einer Person anzupassen.»
Ein nachhaltiges Alicament
Abgesehen von ihrer wissenschaftlichen und ernährungswissenschaftlichen Bedeutung hat diese Forschung zwei wichtige Vorteile: Erstens fördert sie eine Kreislaufwirtschaft, indem sie es ermöglicht, Molke, ein Nebenprodukt der Milchindustrie, in wertvolle Nahrungsmittel umzuwandeln. Zweitens hat die Ernte der Buriti-Früchte einen immensen sozioökonomischen Wert für die Menschen in den Amazonasregionen und bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Freiburg, ein Ort für innovative Lebensmittelforschung
Die Studie hebt auch die Vorteile interdisziplinärer Forschung hervor, einer Forschung, die grundlegende und angewandte Aspekte von Physik, Chemie, Materialtechnik, Ernährungswissenschaft und Biologie miteinander verbindet. «Das zukünftige Forschungs- und Innovationszentrum für Ernährung (FRIC) der Universität Freiburg wird diese Verbindung von Wissenschaft, Innovation und gesellschaftlichem Wohlergehen noch weiter fördern», freut sich Professor Salentinig. Das FRIC wird seine Türen im Laufe des nächsten Jahres öffnen.
Zum Artikel Structure Formation in Tailor-Made Buriti Oil Emulsion During Simulated Digestion