WirtschaftPublikationsdatum 02.07.2024

Faire Rentenpolitik aus gesundheitsökonomischer Sicht


Die durchschnittlich verbleibende Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren ist je nach Beruf sehr unterschiedlich. Wie sieht dann eine faire Rentenpolitik aus? Was würde ein Anstieg des gesetzlichen Renteneintrittsalters für die Gesundheit und Wohlfahrt für verschiedene Berufsgruppen bedeuten? Ein von der Universität Freiburg und der Universität Göttingen entwickeltes, volkswirtschaftliches Modell liefert konkrete Antworten für die Rentenpolitik.

Eine Reihe von gesetzlichen Rentensystemen in OECD-Ländern gibt Vorruhestandsanreize für Arbeitnehmende, die über einen längeren Zeitraum beschwerliche und gefährliche Tätigkeiten ausgeübt haben. So zeigen verschiedene Studien, dass sich hohe körperliche Belastung oder geringe Entscheidungskompetenz am Arbeitsplatz grundsätzlich negativ auf die Gesundheit auswirken und dass diese Auswirkungen mit dem Alter zunehmen. Frühverrentung hingegen wirkt sich positiv auf die Lebenserwartung von Arbeitenden aus.

Umverteilung von unten nach oben
Viele Rentensysteme, wie die berufliche Vorsorge in der Schweiz oder die deutsche Rentenversicherung, zahlen Versicherungsleistungen jährlich ungefähr proportional gemäss den während des Erwerbslebens geleisteten Beiträgen aus. Prof. Dr. Volker Grossmann von der Universität Freiburg sowie Dr. Johannes Schünemann und Prof. Dr. Holger Strulik von der Universität Göttingen haben ein gesundheits- und makroökonomisches Modell entwickelt, welches quantifiziert, wie stark es bei solcher Politik aufgrund der Lebenserwartungsunterschiede zu einer Umverteilung von unten nach oben kommt.

Die Umverteilung zu den Gutverdienern würde nochmal deutlich ansteigen, wenn man, wie oftmals gefordert, das gesetzliche Renteneintrittsalter für alle Arbeitnehmer gleichermassen anheben würde. Als Folge würde zudem die Wohlfahrt von manuell Arbeitenden erheblich sinken. Auch ihre Lebenserwartung ginge zurück.

Frühverrentungsanreize für Arbeitende würden Fairness erhöhen
Damit schliesst sich die Frage an, wie eine faire Rentenpolitik, die das Verhältnis von Rentenbeiträgen und Pensionsleistungen für alle Berufsgruppen ausgleicht, aussehen würde. Die Studienergebnisse legen nahe, dass es gerade bei Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters deutliche Frühverrentungsanreize für Arbeitende geben sollte.

Wenn man das gesetzlichen Renteneintrittsalter unverändert bei 65 Jahren belässt, sollten Arbeitende zudem entweder in Relation zu Angestellten höhere Leistungen im Verhältnis zu ihren Einzahlungen erhalten, oder aber ihre Einzahlungen höher verzinst werden. «In der politischen Diskussion werden solche Szenarien nicht mal diskutiert, wohl aus mangelndem Bewusstsein der Lebenserwartungsunterschiede zwischen Berufsgruppen», bemängelt Volker Grossmann.

Fair Pension Policies with Occupation-Specific Ageing, Grossmann, V, Schünemann J, Strulik H. The Economic Journal (Forschung mit finanzieller Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds)